„Erzähle uns einmal von deinem aufregendsten Ferienerlebnis?“ Diese Frage kann Charlotte wohl ganz klar mit Ihrem Ausflug ins sächsische Hoyerswerda beantworten. Denn die 10-Jährige nahm am 17. und 18. August am 6. Deutschen Ranglistenturnier (A-RLT) U11 und U13 teil. Im Rückblick ein sportlicher und fahrerischer Marathon. Aber einer mit grandiosem Ende.
Doch von Anfang an: Am späten Freitagnachmittag wurde das BSC-Talent von Trainer und Vater Patrick aus ihrem Ferienlager entführt. Über Stralsund ging es für sie mit der Bahn bis zum Zwischenhalt in Berlin, einem Hotel in Gesundbrunnen. Viel Schlaf war den beiden aber nicht vergönnt. In aller Frühe, der Hahn dachte noch gar nicht ans Krähen, ging es dann schon wieder weiter – noch einmal dreieinhalb Stunden Zugfahrt, ehe sie endlich in der Lausitzer Kreisstadt eintrafen. Hier wurde Charlotte bereits von Neubrandenburgs Badmintonass Lucas Jeschke erwartet. Schließlich waren beide gerade noch so ins U13-Mixed-Teilnehmerfeld gerutscht.
Samstag wird sich herangetastet
Das Besondere an den Deutschen Ranglisten der AK U11 und in Teilen U13 ist, dass sie im Small-Games Spielsystem durchgeführt werden. Für Charlotte und Lucas hieß das, das Mixed wurde ohne Vorder- und Hinterfeld gespielt. Ein Graus für Freunde des gepflegten Netzrollers. Regelabweichung Nummer zwei: das ganze Wochenende spielten alle Kids im Modus 3 Gewinnsätze bis 11 (ohne Verlängerung). Spannend definitiv. Für Sportler:innen, die immer erst etwas brauchen, bis sie so ins Match kommen, eine Herausforderung.
Zwar zeigte sich Charlotte davon unbeeindruckt, doch für sie kam hinzu, dass sie verletzungs- und urlaubsbedingt vier Wochen keinen Schläger in der Hand hatte, dazu die aufwändige Anfahrt samt Schlafmangel in den Knochen.
Dennoch gelang es dem MV-Duo, ihr Auftaktmatch zu gewinnen. Nun wollten beide mehr als den Achtelfinaleinzug. Auf der anderen Feldseite stand hier allerdings die an 4 gesetzte Paarung Schiefen/Huang (NRW) und die hatten etwas dagegen. Ihrem Setzplatz Rechnung tragend entschieden sie die Begegnung für sich und verhinderten so die große Überraschung. Auch im abschließenden Platzierungsspiel zogen Charlotte und Lucas den Kürzeren. Damit verblieben sie auf dem geteilten 13. Platz.
Parallel startete unsere U11erin ungesetzt in den Einzelwettbewerb. Genau wie im Mixed wurde dieser in der Small-Games-Variante ohne Vorder- und Hinterfeld ausgetragen. Hier zeigte sich Charlotte schon deutlich stärker. In ihrer Vierergruppe erspielte sie sich den zweiten Platz und somit die Qualifikation für das Hauptfeld. Im anschließenden Viertelfinale erblühte zunächst Hoffnung. Ihre zwei Jahre jüngere Gegnerin konnte sie beim letzten Aufeinandertreffen noch ungefährdet besiegen. Doch wie das so ist: ein Jahr und etliche Trainingsstunden am Hamburger Badmintonstützpunkt später erwies sich Fanchen Luo (Setzplatz 4) diesmal als zu stark. Für Charlotte hieß es zwar heute das Aus. Aber mit dem geteilten 5. Platz auf einer DBV-A-Rangliste darf sie mehr als zufrieden sein.
Unerwartet an die Spitze
Ein Turniertag stand MVs beiden Kaderathlet:innen noch bevor. Für Charlotte hieß es am Sonntag, Einzelturnier Nummer zwei (in der Variante Halbfeldbox) zu bestreiten. Lucas stand im Jungeneinzel U13 im Viertelfinale. Doch erst einmal mussten die Batterien aufgeladen werden. Ein leckeres Abendessen im italienischen Restaurant und viel Schlaf im gemütlichen Hotelbett sollten die gewünschte Regeneration mit sich bringen.
Am Sonntagmorgen ging es also zurück in die brandneue 9-Feld-Halle des BV Hoyerswerda 1960 und direkt auf die Courts. Während Lucas seinem technisch stärkeren Gegner Tribut zollen musste, war Charlotte on fire. In ihrem erste Gruppenspiel wartete eine an 5/8 gesetzte Spielerin aus Sachsen auf das BSC-Talent. In drei überraschend souveränen Sätzen heimste sie sich ihren ersten Sieg ein. Es folgte das Match gegen die an 1 gesetzte Hamburgerin Alexia Yang. Zur völligen Überraschung ihres Trainers legte Charlotte bärenstark noch einen drauf. Mit 11:10, 11:7, 3:11 und 11:10 überrumpelte sie ihre Gegnerin und sicherte sich so vorzeitig den Einzug in die Platzierungsrunde. Das dritte Gruppenspiel gegen Berndsen (SV Schleswig 06) war dann fast ein Selbstläufer. Gruppensieg! Wer hätte das für möglich gehalten.
Doch wir müssen uns vergegenwärtigen, dass wir uns auf einem A-Ranglistenturnier befinden. Ein überraschender Gruppensieg bedeute noch nicht viel. Immerhin befand sich im Hauptfeld die Crème de la Crème der deutschen AK U11. Aber wer Charlotte kennt, weiß, dass ihr das wenig ausmacht. Für sie sind das einfach nur gleichaltrige, freundliche Mädchen, gegen die man gewinnen oder verlieren kann. Da stört es eher, wenn der Trainer/Papa nörgelt. Doch es gab einfach nichts zu nörgeln.
Im Viertelfinale behielt Charlotte ihre Form. Nachdem sie Satz eins abgab, holte sie sich den Zweiten und Dritten. Im Vierten machte sie mit einem überragenden 11:1 den Sack zu. Semifinale! Schon jetzt die absolute Sensation. Dort traf sie auf Fanchen Luo, gegen die sie einen Tag zuvor noch das Nachsehen hatte. Nicht aber heute. Nach erneut vier umkämpften Sätzen stand die junge Schwerinerin tatsächlich im Finale. Ihre Gegnerin, noch einmal Hamburgs Alexia Yang. Wie schon ein paar Stunden zuvor fighteten beide in vier hochspannenden Sätzen gegeneinander. Mit dem Unterschied, dass jetzt die Favoritin die Nase vorn behielt (11:6, 11:8, 10:11, 11:8). Und Charlotte? Die strahlte trotz der Niederlage über beide Ohren. Mit dieser Tagesleistung und mit einer solchen Platzierung war eigentlich gar nicht zu rechnen gewesen. Von mehreren Seiten prasselte Lob auf sie ein und der Gang aufs Treppchen zauberte noch mehr Freude in ihr Gesicht.
Die Rückfahrt gestaltete sich dann entspannter als erwartet. Aber davon kann Charlotte dann selbst im Rahmen ihres Ferien-Erlebnisberichts erzählen. Oder hatte sie diese etwa in Teilen verschlafen?
Vielen Dank an dieser Stelle unbedingt noch an den BV Hoyerswerda, der einen ganz tollen Turnierrahmen schuf. Wir kommen sehr gerne wieder.