Tolle Atmosphäre, viele Lehrstunden und was uns das über den Zustand unseres Landesverbandes sagt
17:1 – So haben wir die Landesligasaison 2021/22 abgeschlossen. Lediglich ein Unentschieden hatte unsere erste Mannschaft einstreichen müssen. Dem gegenüber standen 8 gewonnenen Partien. Eine Hausnummer. Ein Hammerergebnis. Eine überragende Mannschaftsmeisterschaft. Und genau die hat uns die Teilnahme an der Aufstiegsrunde zur Oberliga beschert. Übrigens das insgesamt 6. Mal in unserer Vereinshistorie.

Unser grandioses Damendoppel Mette-Marie Rudolph/ Hanna Sommerfeld | Foto: © ATSV Stockelsdorf
Am vergangenen Wochenende war sie dann endlich soweit: die Zusammenkunft der Landesmeister der 7 nördlichen Landesverbände. Ausrichter war der ASTV Stockelsdorf (an der Stadtgrenze zu Lübeck). Also optimal für uns. Eine Stunde Fahrt, das ist ja im Vergleich zu den Strecken in unserem Landesverband Luxus. Und das Team um Kapitän Lennard Hewelt und TG1-Trainer Michael Hewelt hat sich in den letzten zwei Monaten bestmöglich auf das Saisonhighlight vorbereitet. Unsere Chancen sollten sogar noch geringfügig steigen, zumindest rechnerisch, weil dieses Mal nur 5 Mannschaften (4 Landesmeister und ein potentieller Absteiger) zugegen waren. Der Modus wurde entsprechend angepasst auf jeder gegen jeden. Dennoch eine echt knackige Angelegenheit. Immerhin war der Aufstieg nur den beiden erfolgreichsten Teams vergönnt.
Große Aufregung, maximaler Ehrgeiz
In unserer ersten Partie stand uns einer der Turnierfaoriten, der SC Brandenburg, gegenüber. Gespickt war das Team mit Spielern, die schon sportliche Erfahrung in weit höheren Klassen sammeln durften. Das sollte unseren Ehrgeiz nicht schmälern. Und dass wir absolut heiß auf den Aufstieg waren, daran war in keiner der 8 folgenden Matches zu zweifeln. Es ging in Entscheidungssätze und Verlängerungen. Wir boten uns Kopf-an-Kopf-Rennen und Spiele auf Augenhöhe. Das war schon allererste Sahne. Was uns aber nur nicht vergönnt war, war ein Sieg. Kein einziger. Endstand dieser Begegnung 0:8
Aber noch war nichts verloren. In veränderter Aufstellung – weil Micha uns wegen eines bindenden Termins nur noch ein weiteres Spiel unterstützen konnte und Fabi eine Verletzungspause benötigte – ging es weiter gegen die aus der Oberliga kommende Spielgemeinschaft FTV/HSV/VfL96. Und auch hier bot sich ein ganz ähnliches Bild. Es ging sogar fünf Mal in den entscheidenden 3. Satz. Letztendlich gewannen unsere Gegner verdient mit 6:2. Damit war klar: die Oberliga sollte uns erneut verwehrt bleiben.

Frederik und Micha in Aktion | Foto: © ATSV Stockelsdorf
Im letzten Samstagspiel empfingen uns die Stockelsdorfer Gastgeber, deren stark aufschlagende Nachwuchsspieler und abgezockte Routiniers (mitsamt überregionaler Spielerfahrung und Teilnahme an internationalen Seniorenmeisterschaften) uns das Leben extrem schwer machten. Vorweggenommen: Die Schleswig-Holsteiner sicherten sich am Turnierende den Gesamtsieg und als erstes Team den Aufstieg. Zurück zu unserer Partie. Nochmal ein wenig die Mannschaftsaufstellung abgeändert, konnten wir dem ATSV immerhin zwei Punkte abnehmen. Die anderen Matches gingen klar und ohne echte Chance verloren. Endstand erneut 2:6
Einmal mehr wurde uns vor Augen geführt, wie sehr Mecklenburg-Vorpommern spielerisch abgehängt ist, Wie dünn die sportliche Personaldecke in unseren Vereinen ist. Wenn wir 17:1 die LL gewinnen und gegen auswärtige Teams derart Lehrgeld zahlen müssen, dann macht das nachdenklich. Aber dazu später mehr.
Am Abend wollten wir uns stärken und auf uns anstoßen. Beim gemütlichen und überaus leckeren chinesischen Abendessen ließen wir den Tag gebührend ausklingen.
Am Sonntag stand für uns noch die Spielrunde gegen den SV Harkenbleck an. Kurz gesagt: das Unentschieden auf der Kelle blieben wir den letzten Ergebnissen treu und gingen mit 2:6 aus der Begegnung gegen die Niedersachsen heraus.
Es sei an dieser Stelle aber noch einmal hervorgehoben, dass trotz der vier Niederlagen alle unsere Spieler und Spielerinnen grandiose Leistungen an den Tag legten, teils über sich hinaus wuchsen und allesamt mindestens 100 Prozent gaben. Es war wieder einmal eine klasse Erfahrung gewesen. In diesem Sinne vielen Dank an das gesamte Team und unsere Unterstützer. Vielen Dank wie immer auch an unsere Gute Seele und Physio Mareike.
In der Aufstiegsrunde setzten sich letztendlich der ATSV Stockelsdorf und hauchdünn der SC Brandenburg durch. Beide Teams spielen in der kommenden Saison 2022/23 in der Oberliga Nord.
Im Einsatz waren für den BSC: Madeleine Hardt, Mette-Marie Rudolph, Hanna Sommerfeld, Lennard Hewelt, Fabian Bebernitz, Micha Selke, Patrick Dettmann, Finn Hellbach, Michael Hewelt, Frederik Hewelt
Nach der Aufstiegsrunde ist vor dem Neuanfang | Gedanken und Kritik
Ein Kommentar von Patrick Dettmann
An dieser Stelle ist es einmal von Nöten, einen Gesamtblick auf die Badmintonlandschaft in MV zu werfen. Voran die Frage, warum die Teams anderer Landesverbände so viel besser sind? Immerhin ging es uns doch „nur“ um den Aufstieg in die Oberliga. Für die nicht ganz so Liga-festen Badmintonfans: oberhalb derer befinden sich noch die Regionalligen sowie die zweigleisige 2. Bundesliga und die 1. Bundesliga. Von diesen Sphären ist MV aber gleich mal Lichtjahre entfernt.
Einen gewissen Anteil an diesem Zustand haben sicherlich die demographischen Verhältnisse. Seit Jahren verlässt uns die gut ausgebildete Badmintonjugend für Studium und Beruf in andere Teile Deutschlands und der Welt. Und Schwerin bietet weder Studierenden noch Berufsanfängern ausreichend Perspektiven. Fakt ist aber auch: die Badmintonlandschaft in gesamt Mecklenburg-Vorpommern ist einfach nicht attraktiv. Wer eine gewisse Spielklasse erreicht sucht sich für gewöhnlich Arrangements in anderen Vereinen.
Allein auf unser letztes Jahr zurückgeblickt. Die leider Corona-bedingt abgebrochene Saison 20/21 hätte für den BSC noch eher die Wende über den Aufstieg bedeuten können. Denn da hatten wir noch Luca und Mischa in unseren Reihen. Luca, der da bereits am LLZ in Hamburg trainierte, musste einfach in den hochklassigen Spielbetrieb. Da ging gar kein Weg dran vorbei. Mittlerweile ist er für Hamburg Horn in der 2. BL im Einsatz. Mischa ist weiterhin wertvoller Trainingspartner für unsere Jungs. Die aktuelle Saison lief er allerdings, wie auch Samira, für Bremen in der Regionalliga auf. Das sportliche „dahindümpeln“ in der Landesliga MV war für diese also absolut keine Option. Das wäre auch karriereschädlich. Wir erinnern uns, mit unserer aktuellen Mannschaft schlossen wir in der Tabelle 17:1 ab.
Für die nächste Spielzeit werden uns wohl auch Lennard und Frederik verlassen. Aus ähnlichen Gründen.
Wie es also für uns weitergeht? Das ist gerade wieder einmal weitreichend offen. Ein Neuversuch zum Liga-Aufstieg in weite Ferne gerückt. Die Situation kann aber nicht allein in Schwerin gelöst werden…
Zur Landesliga MV: Über die vergangenen 4-5 Jahre bestand die höchste Liga MVs nur noch aus 4 Teams. Das ist ein Armutszeugnis. Und immer nur gegen die gleichen paar Gegner zu spielen bringt niemandem eine sportliche Entwicklung. Das haben wir von Neuem am letzten Wochenende gemerkt. Ungewohnte Spieltaktiken, Eigenheiten oder Fähigkeiten haben uns ebenso ins Straucheln gebracht wie die breit aufgestellte Mannschaftsstärke. Wären wir hingegen aufgestiegen, dann wären von unseren 4 LL-Teams ja nur noch 3 übrig… und dann?
Aber auch vor 5 Jahren sah es schon nicht mehr rosig aus in MV. Mannschaften hatten sich Jahr für Jahr zurückgezogen oder lösten sich auf (das betrifft teils auch die Landesklasse). Das Problem der Abwanderung gibt es natürlich im ganzen Land. Schwerin steht da vielleicht noch einigermaßen gut da. Doch das ist nicht das grundsätzliche Problem. Der Badmintonverband MV ist selbstgemacht überaltert.
Schaut man sich die Mannschaftsaufstellungen in MVs Ligen genauer an, dann erkennt man flächendeckend (mit wenigen Ausnahmen) eine sich selbst zersetzende und, böse gesagt, jugendfeindliche Spielpraxis. So werden die ranglistenerfahrenen Teens entweder erst gar nicht in die Teams beordert, oder permanent hinter den „alten Hasen“ als Ersatzspieler oder in der untersten Spielklasse eingesetzt. Die sportliche Entwicklung des Nachwuchses wird damit unterbunden und ihr langfristiger Ehrgeiz, ihre zukünftige Vereinsbindung klein gehalten. Alles nur damit die seit Jahrzehnten zusammen spielenden Hinz und Kunz auch noch das nächste Jahrzehnt gemeinsam und ungestört auflaufen können. So geschieht es auch nicht selten, dass genau diese Jugendlichen, sofern sie in MV bleiben, sich in ihrem jungen Erwachsenenalter erst einmal komplett aus dem Ligabetrieb und vom Badmintonsport zurückziehen. Spätestens jetzt wundern sich die in die Jahre gekommenen Alten über die Vergreisung ihrer Mannschaften.
Gleichzeitig dünnt sich die Riege der Trainer und Trainerinnen im Land weiter aus. Trainingsgruppen für Kinder und Jugendliche werden aufgelöst oder als reine Tagesbespaßung fortgeführt. Die Alten sagen die Jugend hätte keinen Ehrgeiz mehr. In Wirklichkeit aber ist es genau andersherum. Mit dem Selbstverständnis der 80er und 90er Jahre, dass Vereinssport ein Selbstläufer ist, wird sich Stück für Stück den modernen Anforderungen entzogen und die von Vereinsseite notwendige Anpassung und ein an die freizeitgestalterischen Gegebenheiten angepasstes Umdenken gar nicht erst erwogen. Dass man heute ganz andere Wege gehen muss um den Vereinssport für jüngere Generationen attraktiv und erstrebenswert zu gestalten, ist gesetzt. Es wird nur großflächig verweigert. Dass Wettkampfsport heute bedeutend straffere Selbstorganisationen der Familien bedeutet macht es nicht einfacher.
Ja, Corona hat uns alle hart getroffen. Und ja, auch der BSC 95 Schwerin hat in diversen Jahrgängen kaum oder nur wenige wettkampforientierte Kids. Das ist ein Problem dem wir entgegentreten müssen und werden. Es wird uns die nächsten Jahre beschäftigen und all unseren Willen erfordern.
Nur muss dazu auch ein flächendeckendes Umdenken stattfinden. In Sachen gemeinsame Zielorientierung, Vernetzung und Ausbildung von Aktiven und Ehrenämtlern. Ein paar wenige Vereine können das aber nicht alleine durchziehen. Sportler:innen können sich nur im Wettbewerb und gegenseitigen Vorantreiben entwickeln. Nicht jede/r ist dazu geeignet. Das ist auch nicht schlimm. Wenn aber die Basis so ausgedünnt ist, dass die Spitze nur aus einzelnen Personen besteht, wenn die Spitze keine Perspektive und keinen Anreiz zu höherem bekommt, dann werden wir letztendlich alle das Nachsehen haben. Schade eigentlich, wo wir unseren Sport, unsere Sportart doch so sehr lieben.
Warum also stehen andere Landesverbände sportlich soviel besser da? Vielleicht auch deshalb: Mecklenburg-Vorpommern hat 1,6 Millionen Einwohner. Schleswig-Holstein fast 3 Millionen, also etwas weniger als das Doppelte. Demgegenüber haben wir 23 Vereine (Sparten), die unserem Fachverband angeschlossen sind. Im Badmintonverband SH sind 125 organisiert. OK, wir sind dünnbesiedeltes Flächenland. Das wird sich aber nicht ändern. Was sich ändern müsste, ist die Anzahl der organisierten Vereine. Das Potential wäre da. Ändern müsste sich auch der Wille und das know how, Kinder und Jugendliche konkurrenzfähig auszubilden. Davon sind wir derzeit Lichtjahre entfernt. Da braucht man noch gar nicht über das prekäre Defizit eines fehlenden LLZ oder Landestrainers debattieren.
Allein der Blick auf unsere Jugendranglistenturniere zeigt: in dieser Saison haben lediglich 7/8 der 23 Vereine ihren Nachwuchs antreten lassen. Die gängige Ausrede: „Unsere Jugendlichen sind noch nicht so weit.“ Nicht soweit wofür? Um den Ranglistensieg einzustreichen? Um mit Niederlagen umzugehen? Um einen Schläger zu halten? Nein, das kann es nicht sein. Wenn man ein Dutzend 9- bis 12-jährige Kinder über einen Zeitraum von 1,5 Jahren vernünftig in die Basics unseres Sports einweist, dann sind definitiv mindestens 2 von ihnen bereit dazu.
Das damit einhergehende Argument: „Meine Kids sollen nicht abgeschossen werden“. Dieses kollektiv vorgebrachte Ausschlusskriterium ist an sich richtig. Nur äußerst fragwürdig, wenn es über Jahre hinweg immer und immer wieder von den gleichen Trainer:innen vorgebracht wird. Wie kommen Verantwortliche zu dieser Einschätzung, wenn sie schon seit Jahren gar nicht mehr auf Nachwuchsturnieren in MV zugegen waren? Wenn keine Kids mehr zu Wettkämpfen geschickt werden, wer soll denn dann wen abschießen?
Ändert sich also nichts an der Grundeinstellung, an der eigenen Zielsetzung, wird es wohl bald keinen wettkampforientierten Badmintonsport in MV mehr geben, zumindest keinen, der überregional nur ansatzweise mithalten könnte. Das trifft zuallererst den Nachwuchssport und danach unseren Ligabetrieb. Dann überaltern wir weiter und deklassieren uns mehr und mehr selbst.
Soll sich was ändern, dann MUSS es ein UMDENKEN geben. Von ganz unten. Gemeinsam.